Wie selbstverständlich habe ich mir am ersten Tag zu Hause nach der ersten OP einen Kaffee gemacht. Endlich keinen Filterkaffee mehr! Endlich meinen geliebten Vanille-Sirup! Selbstverständlich gehört die Tasse auf den Frühstückstisch... bis die Erkenntnis kommt, dass ich die Tasse dank der Krücken überhaupt nicht tragen kann.
Dann bekommt man selbstverständlich Hilfe.
Und auch hat mein Trainer Rüdiger mich selbstverständlich nach der 2. OP aus Köln abgeholt. Selbstverständlich legt mein Arzt Jens meinen Termin fürs Fäden ziehen so, dass ich nachmittags wieder zur Physiotherapie in Mannheim bin.
Die letzten 3 Monate haben mir aber die Augen geöffnet, dass es dieses „selbstverständlich“ eigentlich nicht gibt.
Man kann dankbar sein, wenn man Menschen in seinem Umfeld hat, die etwas selbstverständlich für einen tun. Dann hat man so einiges richtig gemacht – und hat tolle Menschen an seiner Seite.
Aber dieser schwierige Weg durch 2 OPs hat mir gezeigt, dass ich viele Dinge einfach als viel zu selbstverständlich angesehen habe.
Das erste nach Fäden ziehen wieder stehend Duschen zu können, den Kaffee selbst tragen zu können, selbst zur Physiotherapie fahren zu können, die Pakete an der Tür entgegennehmen zu können (ohne den Paketfahrer mit einem charmanten Lächeln zum Reintragen bewegen zu müssen) – all das und vieles mehr war für mich einfach selbstverständlich.
Nun bin ich dankbar dafür, dass ich all das kann. War ich vorher nicht.
„Selbstverständlich wirst du nächstes Jahr wieder auf der Bahn stehen!“ – so selbstverständlich ist es eben nicht. Ich bin mir mehr bewusst als je zuvor, dass dies ein sehr langer und sehr schwieriger Weg wird.
Aber selbstverständlich werde ich ihn angehen! Weil ich das liebe, das ich tue. Und die Menschen, die so selbstverständlich für mich da sind...
Übrigens: Ein Trauerfall in der vergangenen Woche hat mir diese Gedanken noch einmal bestätigt. Es ist einfach nicht selbstverständlich, dass man Menschen, an die man gewöhnt ist, jeden Tag wieder sieht. Plötzlich sind sie nicht mehr da. „Und ich hätte ihn/ihr doch noch soviel sagen wollen?“ Tja...
Ich werde nicht mehr so viele Dinge als selbstverständlich ansehen, wie früher. Ich weiß mittlerweile, dass ich privilegiert bin, „beruflich“ das zu tun, was ich liebe. Dass ich das Talent bekommen habe.
Menschen, die einem so viel bedeuten und immer wie selbstverständlich für einen da waren werden auf einmal durch Krankheit oder andere Dinge aus deinem Leben gedrängt. Für mich ist es auch selbstverständlich, für diese dann da zu sein... solange ich es kann.
Lieben Dank an euch alle, die es als selbstverständlich ansehen, für mich da zu sein!
Selbstverständlich werde ich jetzt „step by step“ an meinem Comeback arbeiten ;-)
Eure